Der Aufruf zur
Blogparade Teilzeit sichtbar machen
von Melanie Belitza ist für mich ein willkommener Anstoß, meine Erfahrungen mit Teilzeitarbeit während meiner Festanstellung zu reflektieren und hier über meine persönliche Motivation zu berichten.
Ich habe während meiner Anstellung in einem internationalen Konzern zeitweise in verschiedenen Rollen "nur" 80% gearbeitet, verteilt auf Montag-Donnerstag. Freitags war ich nicht im Büro.
Wie sollte es für mich beruflich weitergehen? Überzeugt davon, dass ich bereits das Beste des aktuellen Bereichs erlebt und alles für mich spannende gelernt hatte, wollte ich meinen Horizont erweitern.
Doch wohin? Marketing? Accounting? Ausland? Oder doch im Bereich betriebliche Weiterbildung?
Und ganz zentral die Frage:
wie viel Karriere möchte ich machen und was bin ich bereit, dafür zu geben?
Ein Mensch der voll und ganz lebt, ist vorbereitet, jederzeit zu sterben. -Mark Twain
In meinem familiären Umfeld hatte ich erlebt, wie es ist, wenn Menschen ein unerfülltes Leben führen. Wenn Arbeit immer vor allem anderen kam, bis es zu spät war und nur Bedauern blieb. Mir ging damals oft durch den Kopf
wenn ich heute von einem Bus überfahren werden würde, so könnte ich nicht zufrieden auf mein Leben zurück schauen. Da ist noch so vieles auf meiner Bucket-Liste, das ich erleben möchte.
Auch im Arbeitsumfeld waren die zufriedenen Kolleg_innen eher in der Unterzahl, das gab mir zu denken.
Verschiedene Vorstellungsgespräche später war ich immer noch unentschieden. Unentschieden, da mir zwischen Jetlag und Projektbesprechungen die Zeit zum Nachdenken fehlte. Unentschieden, da es wenige Möglichkeiten gab, sich im laufenden Betrieb auszuprobieren. Unentschieden auch, da mir die Diversität an Vorbildern fehlte.
Was ist eigentlich möglich?
Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. -Albert Einstein
Der erste Freitag, an dem ich nicht ins Büro ging, war merkwürdig.
Aber schnell entfalteten sich die positiven Aspekte: ich recherchierte im Internet, suchte mir einen Coach zur Unterstützung, und entschied mich bald dafür, meine berufliche Entwicklung in Richtung betriebliche Weiterbildung zu treiben.
Als die Stelle einer Wissensmanagerin neu geschaffen wurde, griff ich zu. Die Anmeldung zu einer Coaching Ausbildung erschien mir als logischer begleitender Schritt. Dank meines Teilzeit-Vertrags konnte ich die Ausbildung zeitlich gut unterbringen. Perfekt!
Echte Hingabe an eine Sache ist nur mit Freiheit möglich. -Maria Montessori
Spätestens hier hätte ich dann zu einem Vollzeit-Vertrag zurückkehren können. Besonders, als meine Bewerbung für eine Stelle in der Leadership Academy erfolgreich war. Jedoch hatte ich auch bereits gesehen, wie wertvoll ein Tag zur freien Verfügung in der Woche sein kann und das wollte ich nicht missen!
Für mich ist dieser Tag immer ein Tag des Lernens gewesen, auch abseits der ausgetretenen Pfade. Ein Tag für Reflexion über mich selbst und das Leben. Ein Tag, um Träume auszuprobieren und auch zu erkennen, dass manches auf meiner Bucket-Liste eigentlich gar nichts für mich ist. Ein Tag, um das Leben zu genießen, denn du lebst nur einmal. Ein Tag, um Stille, Alleinsein und Langsamkeit zu üben, was in unserer Gesellschaft kaum noch anzutreffen ist.
Ein Tag, um Achtsam mit mir selbst zu sein, würde ich heute sagen.
Was zeigt sich in dir, wenn nicht viel geschieht? -Jon Kabat-Zinn
Ich wäre früher niemals alleine in ein Café gegangen. Heute finde ich, es gibt nichts besseres als diese Zeit für mich, mit einem guten Kaffee, um die Menschen um mich herum und mich selbst zu beobachten.
Immer wieder wurde mir klar, wie wichtig dieser Freiraum für meine persönliche Entwicklung war und ich wollte zumindest versuchen, sie auch bei meinem nächsten Schritt im Arbeitsleben zu bewahren.
Wir staunen über die Schönheit eines Schmetterlings, aber erkennen die Veränderungen so selten an, durch die er gehen musste, um so schön zu werden. -Maya Angelou
Heute bin ich stolz darauf, während meiner Arbeitszeit im Konzern auch Vorreiterin gewesen zu sein für ein neues Arbeits- und Lebensmodell, das mehr Diversität in den Alltag bringt. Insgesamt würde ich mir wünschen, dass die Offenheit für "andere" Lebensmodelle zunimmt. Besonders für Wissensarbeiter_innen sollte geschaffener Wert wichtiger sein als Anwesenheit.
Wir brauchen heute in den Unternehmen Menschen, die sich ständig weiterentwickeln, Innovationen schaffen, klar entscheiden und mit ihrer Energie haushalten können. Teilzeit kann dabei ein guter Baustein neben anderen Modellen sein und ein Übergang in eine Welt, in der Lohnarbeit, Selbstverwirklichung und Lernen Hand in Hand gehen.
Wir kennen die neuen Führungsmodelle gut genug, um zu verstehen, wohin die Reise gehen muss. Es braucht jetzt nur noch mutige Menschen, die das auch umsetzen. -Frédéric Laloux
Für mich persönlich habe ich mit dem Start meiner Selbstständigkeit die Integration auf ein neues Niveau angehoben. Ich kann nicht nur für mich persönlich frei entscheiden, wie ich Arbeit, Lernen und Selbstverwirklichung verknüpfe, sondern auch vollständig, wie ich es gewichte und mich flexibel anpassen. Zeitweise ist der Fokus eher auf Nutzung und Weitergabe meines Wissens, also auf Arbeiten, zeitweise wieder auf Lernen oder einfach auf Leben, denn Leben ist Lernen!
Gleichzeitig habe ich mir den Traum erfüllt, auch unternehmensübergreifend auf eine Veränderung der Arbeitswelt hin zu mehr persönlicher Verantwortung und einem achtsameren Miteinander hinzuwirken. Insgesamt das Leben auch am Arbeitsplatz jeden Tag ein Stückchen besser zu machen gibt mir einen Sinn, der mich sehr befriedigt. Als ich diesen Schritt publik machte, schrieb eine liebe Person aus meinem Netzwerk
das ist nur die konsequente Fortführung deines bisherigen Weges, und das sehe ich genauso!
Falls du mit dem Gedanken spielst, dein Arbeitsmodell zu verändern, habe ich
hier ein paar hilfreiche Fragen für dich zusammengetragen.