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#TeilzeitPerspektiven: Nachgefragt bei Rebekka Manos

Rebekka Manos • Dez. 01, 2020

Das Interview ist als LinkedIn Artikel veröffentlicht worden, Nachdruck hier mit freundlicher Genehmigung von Melanie Belitza.

#TeilzeitPerspektiven: Nachgefragt bei Rebekka Manos

Weshalb sich Rebekka Manos für einen „Tag, um achtsam mit mir selbst zu sein“ entschieden hat, wie sie diesen genutzt hat und warum das eine Win-Win Situation für sie und den Konzern war, beschreibt sie anhand ihres persönlichen Weges. Zudem teilt sie eine Liste mit Fragen, die ihr im Vorfeld bei den Überlegungen über und der Entscheidung für Teilzeit geholfen haben.

#TeilzeitPerspektiven ist eine Mini-Interview-Reihe im Anschluss an die Blogparade Teilzeit, um noch mehr über die vielfältigen Perspektiven der AutorInnen zu erfahren. 

In dieser Woche: Nachgefragt bei Rebekka.

Im Rahmen der Blogparade hast Du Fragen zusammengestellt und geteilt, die Dir bei der Überlegung künftig in Teilzeit zu arbeiten, weitergeholfen haben. Wie war Dein ganz persönlicher Entscheidungsprozess? Wann warst Du sicher, dass das der richtige Weg für Dich ist? 

*Schmunzel* Im Rückblick weiss ich, dass ich meinem typischen Entscheidungsmuster gefolgt bin - ich war gut informiert über die rechtlichen Möglichkeiten, hatte mir viele Gedanken gemacht über die möglichen Auswirkungen auf meine Karriere, hatte Arbeitsweisen wie “nur das nötigste tun” (sehr unbefriedigend!) ausprobiert. Und mich insgesamt eine ganze Weile damit beschäftigt.
Eines Morgens bin ich aufgestanden und die Erkenntnis war einfach da: ich brauche eine deutliche Veränderung, sonst komme ich nicht weiter! Dann bin ich am gleichen Tag los und habe es umgesetzt. Im Coaching nennt man das den Rubikon, den Entscheidungsfluss überqueren: Erst, wenn man rüber gepaddelt ist, aus dem Boot steigt und das Ruder wegwirft, ist die Entscheidung wirklich gefallen.
Wie klar meine Entscheidung war und wie deutlich ich kommuniziert habe mache ich daran fest, dass es intern kaum Diskussion darüber gab.
Ob eine Entscheidung die richtige ist, kann man wirklich oft erst im Rückblick bewerten. Aus heutiger Perspektive bin ich zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelt haben.

Du schreibst, dass Dir auf Deiner Suche nach dem nächsten Schritt die “Diversität an Vorbildern” gefehlt hat. Kannst Du beschreiben was Dir genau gefehlt hat? Wäre das heute anders? Und hast Du einen Tipp, wie man passende Vorbilder findet?

In meinem beruflichen und privaten Umfeld gab es ganz klassisch größtenteils Menschen, die immer und viel gearbeitet haben, meist auch mehr als 40 Stunden. Bei denen sich alles um den Job gedreht hat und daraus auch der gesellschaftliche Wert eines Menschen bestimmt wurde: viel arbeiten = wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Du bist, was dein Jobtitel ist; getreu des Lutherischen Arbeitsethos.
Daneben gab es die Mütter - Frauen, die in Teilzeit wenige Stunden arbeiteten, langweilige Aufgaben oder Projekte bekamen und wenig Anerkennung. 
Zusätzlich ein paar Ausgestiegene, von denen ich manchmal im Internet las oder denen ich auf Reisen begegnete. Das war extrem weit weg von meiner eigenen Lebensrealität. Trotzdem habe ich viel darüber nachgedacht, ob das etwas für mich sein könnte.
Ich kannte faktisch keine Menschen in meinem direkten Umfeld, die ein anderes Modell lebten. Es wurde kaum offen darüber gesprochen, dass es auch Mischformen geben könnte. Dass weniger Arbeiten kein Verrat an Gesellschaft, Unternehmen oder meiner Karriere wäre... Ich hab es ja auch in meinem Text geschrieben: viele Führungskräfte in meinem Umfeld konnten meinen Schritt nicht verstehen. Mein Opa übrigens auch nicht…

Heute sind wir einen guten Schritt weiter: die gesellschaftliche Diskussion hat sich stark entwickelt! Wenn wir über Künstliche Intelligenz und Roboter nachdenken, so wird uns bewusst, dass es bald nicht mehr “genug Arbeit” zur persönlichen Profilierung geben wird und damit auch der Stellenwert der Arbeit ein anderer werden muss. Wenn man sich näher damit beschäftigen möchte, kann ich z. B. die Texte und Videos des modernen Philosophen Richard David Precht empfehlen. 
New Work ist eine wichtige Bewegung geworden, die andere Sinnhaftigkeit in den Blick rückt.
Themen wie Depressionen und Burn Outs, Innovationsmüdigkeit, zuletzt die Coronapandemie und die Diskussionen um Homeoffice zeigen uns, dass die alten Arbeitsmodelle an ihre Grenzen stoßen.
Immer mehr Menschen organisieren sich in Bewegungen wie Theory U und Conscious Business, weil sie sich eine andere Art von Welt und Leben wünschen.

Das Internet mit seinen Möglichkeiten der Information, Sichtbarkeit, Vielfalt hat hier wirklich viel beigetragen!
Wenn ich heute nach alternativen Vorbildern schaue, so sind Tools wie Twitter oder Blogs eine gute Quelle. Und ich würde heute die Kraft des Netzwerks bemühen: einfach mal ein wenig herumfragen - es kennt immer jemand jemanden!

Zusätzlich würde ich mir viel mehr Offenheit und Proaktivität von Arbeitgeber_innen wünschen: Besonders für Wissensarbeiter_innen sollte geschaffener Wert wichtiger sein als Anwesenheit.

“Ein Tag, um Achtsam mit mir selbst zu sein” - so beschreibst Du Deinen freien Freitag. Könntest Du einen kleinen Einblick geben, wie so ein Tag ausgesehen hat? Wie hast Du entschieden, für was Du diesen konkret nutzen möchtest? Woher kam Deine Inspiration dafür? Und was hat das mit Dir gemacht?

Konkret nutzen - da muss ich schon lachen! :-) In einem völlig durchgetakteten Leben war es endlich mal möglich, sich treiben zu lassen. Ich konnte das schon gar nicht mehr, alles war vollgepackt, immer war etwas zu erledigen, immer Menschen um mich herum. Auf einmal war da Zeit, die ziellos war, in der ich alleine war. Am Anfang war das gar nicht so einfach, auf mich selbst zurückgeworfen zu sein. Ich dachte, ich müsste jetzt ja Wert schaffen mit dieser Zeit, sinnvolles tun und richtig beeindruckende Antworten haben wenn die Kolleg_innen oder Freund_innen fragen “und was machst du Freitags so?”.

Am Ende ist das vielleicht meine größte Errungenschaft aus dieser Phase meines Lebens: ich bin auch ok, wenn ich nichts tue oder leiste. Ich mache Pausen nicht nur, weil ich sie brauche, sondern weil sie mir Freiheit geben und mich zu einem vollständigeren Menschen machen.

Mit der Freiheit ist dann auch die Neugierde zurückgekehrt: ich habe viel gelesen, auch fachliches, wofür ich sonst keine Zeit hatte. Ich habe meditiert, also meinen Geist geübt, ich bin joggen gegangen für meinen Körper, ich habe mir Unternehmungen wie einen Kaffee alleine oder stundenlanges Stöbern in der Bibliothek (Köln hat eine tolle öffentliche Bibliothek!) oder Buchhandlung gegönnt. Neben dem Internet waren Bücher meine wichtigste Inspirationsquelle.

Ich habe viel über mich selbst und meinen Weg nachgedacht, eine unglaublich hilfreiche Coaching-Ausbildung gemacht und tolle Seminare zu Achtsamkeit und Compassion (Mitgefühl) besucht. Meine persönliche Entwicklung ist von Zeit und Muße sehr beflügelt worden. Im Vollzeit-Alltag war dafür kaum Platz.

Dass Du früher nie allein in ein Café gegangen wärst, können sicher viele sehr gut nachempfinden. Wie hat sich das dahin entwickelt, dass Du genau das heute wahnsinnig gerne machst? (Wie) Kann man Allein sein üben? Und warum ist das so wichtig?

Ich denke, dass sich im Alleinsein und im Innehalten die Möglichkeit zum Dialog mit uns selbst ergibt, egal ob unter Menschen oder nicht. Es können sich Gedanken und Ideen entwickeln, mit denen wir nicht gerechnet haben. Wichtiges tritt ins Bewusstsein. Anstatt vom Alltag getrieben zu sein können wir wieder zu Architekt_innen unseres Lebens werden.

Ich habe “klein” angefangen: bei Starbucks sitzen öfter auch mal Menschen alleine, das war meine erste Anlaufstelle. Zur Not kann man sich am Anfang hinter seinem Handy, Notebook, Buch verstecken. Und dann darauf achten, ob und was sich gut anfühlt. Für mich ist das: etwas für mich selbst tun, mir einen Kaffee gönnen, ungestört Menschen beobachten, nicht reden müssen, Ruhe genießen, an einem Ort sein der Sinne und Neugier anregt, vor die Tür kommen.

Andere Möglichkeiten zum Üben sind auch alleine spazieren gehen, alleine zuhause auf die Couch setzen ohne Handy oder Fernseher, einen Tag wandern gehen, ins Spa gehen (immer natürlich Coronaregelungen-konform). Es ist ja auch nicht unbedingt nötig, alleine in die Öffentlichkeit zu gehen, wenn man das nicht möchte.

Du hast Dich an Deinem freien Tag auch viel mit berufsnahen Themen, Lernen und Weiterentwicklung beschäftigt, eine Coaching Ausbildung gemacht und so auch viele neue Impulse in Deine Arbeit eingebracht. Da Teilzeit aber auch Teilgehalt ist - wie bist Du damit umgegangen, dass die Grenzen so fließend waren?

Ich denke, hier ist die Diskussion noch nicht am Ende. Zusätzlich erarbeiten sich viele Teilzeitarbeitenden eine höhere Effizienz, was nichts anderes ist als eine Arbeitsverdichtung. Ich hab auch mal zurück auf Vollzeit geswitched für eine Weile - das war deutlich entspannter.

Zu deiner Frage: Wissensarbeiter_innen leben davon, immer am Ball zu bleiben und dazu zu lernen. Trotzdem haben die meisten einen Tagesablauf voll mit transaktionalen Aufgaben. Dabei bleiben Innovation und strategische Arbeit auf der Strecke. Wie kann sich ein Unternehmen transformieren, wenn die Mitarbeiter_innen auf den entsprechenden treibenden Positionen keine Zeit oder Energie haben, zunächst oder zumindest zugleich sich selbst zu transformieren?

Ich habe hier sicherlich teilweise meine Freizeit genutzt, um das auszugleichen. Ich bin eine immer Lernende und hab auch für die Themen meiner Rolle gebrannt (und tue es heute noch): es war natürlich, dass ich mehr darüber wissen wollte, egal wann! Einen gewissen Ausgleich hat es in Form von Bonuszahlungen oder Anerkennung für das gegeben, was ich daraus für das Unternehmen gemacht habe.

Bezüglich der Grenzen hatte ich die Regel: wenn ich etwas wirklich wirklich machen will, dann finanziere ich es selbst, wie z. B. meine Coaching-Ausbildung oder meine Achtsamkeits-Seminare. Das ist unter aktivistischen Gesichtspunkten für die Anerkennung von Lernen als wichtiges Element der beruflichen Entwicklung sicherlich nicht hilfreich, aber meine persönliche Entwicklung konnte nicht darauf warten, dass die Unternehmenswelt nachzieht und die interne Entwicklung in diesen Themen unterstützt. Auch wenn die Nachfrage nach Seminaren und Coachings die Signifikanz meiner Meinung nach deutlich zeigt :-)

Geschaffener Wert sollte, besonders für WissensarbeiterInnen, wichtiger sein als Anwesenheit, wünschst Du Dir in Deinem Artikel. Wie könnten aus Deiner persönlichen und auch beruflichen Erfahrungen heraus zukünftige Lebens- und Arbeitsmodelle aussehen? Und wie könnte für mehr Offenheit bei und in den Unternehmen geworben werden?

Als großes Bild glaube ich, dass wir uns als Gesellschaft transformieren müssen. Menschen schätzen anstatt Jobtitel oder hektisches Herumlaufen. Dabei könnte das bedingungslose Grundeinkommen als ein möglicher Ansatz helfen.

Als ein wichtiger nächster Schritt könnte das konsequente Leben und Ausweiten der Vertrauensarbeitszeit genutzt werden. Die gibt es schon in vielen Unternehmen, allerdings wird sie durch Präsentismus und Überlastung ad absurdum geführt. Gleiches gilt für das konsequente Anbieten von Teilzeitmodellen, Sabbaticals, Job-Sharing. Viele Ideen sind bereits da und werden in Ansätzen gelebt! Es ist unser Mindset, unsere alten Glaubenssätze, die uns immer wieder ein Bein stellen! Daran müssen wir arbeiten, sowohl als Mitarbeitende als auch als Unternehmenslenkende.

Hoffnung gibt mir, was ich in Bereichen und Unternehmen sehe, die z. B. Selbstorganisation eingeführt haben. Es ist immer mit innerer Arbeit verbunden - also innere Stabilität aufbauen, Sicherheit, persönliche Reife und ein offenes und konfliktfreudiges Miteinander. Mehr Perspektiven berücksichtigen und halten können. 

Ich selbst möchte zu dieser Entwicklung beitragen, indem ich ein Seminar zu Authentizität und innerer Stabilität anbiete. Wer seinen Platz im Leben gefunden hat, scheut sich nicht mehr, Veränderungen einzufordern und selbstverantwortlich mitzugestalten.

Dabei gibt es für die meisten Unternehmen eigentlich mehr zu gewinnen, wenn sie Erfolg nicht in Kontrolle oder geleisteten Stunden bemessen, sondern in Innovationen, Diversität, Gesundheit, Stimmung, Anziehungskraft für Bewerber.

Mittlerweile hast Du Dich selbstständig gemacht. Was nimmst Du aus Deinen Teilzeit-im-Konzern-Zeiten mit in Deine neue Aufgabe? Was würdest Du sagen: Gilt auch für den Aspekt Teilzeit das Zitat über Dich aus Deinem Beitrag: “konsequente Fortführung Deines bisherigen Weges”?

Inzwischen gilt es wieder und darüber bin ich froh! Die Versuchung, dieses furchtbare Sprichwort “Selbstständig - selbst und ständig” zu leben ist groß. Alles ist neu und interessant, es gibt unglaublich viel zu tun (wer darüber mehr wissen möchte, schaue doch in den DiWoDo #TransformationsTalk, bei dem ich davon erzählt habe), Corona ist eine zusätzliche Hürde und es fehlen im Homeoffice die Referenzpunkte, wann es genug ist. Gefühlt sind alle immer online und immer erfolgreich, das baut ordentlich eigenen Druck auf. 

Jetzt gönne ich mir immer mal wieder freie Tage, flexibler als früher und gehe damit auch sehr offen um. Und erlaube mir auch die Flexibilität zu genießen, abends oder am Wochenende zu arbeiten, wenn mich die Muse küsst und ich noch eine richtig gute Idee habe!



Zu Rebekkas Blogparaden-Beitrag: Alternative Arbeitsmodelle – mein Weg.
"Wir brauchen heute in den Unternehmen Menschen, die sich ständig weiterentwickeln, Innovationen schaffen, klar entscheiden und mit ihrer Energie haushalten können. Teilzeit kann dabei ein guter Baustein neben anderen Modellen sein und ein Übergang in eine Welt, in der Lohnarbeit, Selbstverwirklichung und Lernen Hand in Hand gehen."

Für alle, die überlegen in Teilzeit zu arbeiten, die Liste mit Fragen, die Rebekka im Vorfeld geholfen haben: Teilzeit? Gute Frage!

Alle Beiträge der Blogparade: https://bxsuitcase.de/blogparade-teilzeit
Die Zusammenfassung der Blogparade: Lasst uns Teilzeit-Geschichte(n) schreiben!
Alle Interviews der #TeilzeitPerspektiven: https://bxsuitcase.de/teilzeitperspektiven/ 
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Fragen zur Teilzeit
von Rebekka Manos 19 Aug., 2020
Ich habe während meiner Anstellung in einem internationalen Konzern zeitweise in verschiedenen Rollen "nur" 80% gearbeitet, verteilt auf Montag-Donnerstag. Freitags war ich nicht im Büro. Der Aufruf zur Blogparade Teilzeit sichtbar machen von Melanie Belitza ist für mich ein willkommener Anstoß, meine Erfahrungen mit Teilzeit während meiner Festanstellung zu reflektieren und Fragen, die ich sonst immer mal wieder in Gesprächen teile, strukturiert aufzuschreiben. Nehmt davon, was euch weiter bringt!
von Rebekka Manos 19 Aug., 2020
Der Aufruf zur Blogparade Teilzeit sichtbar machen von Melanie Belitza ist für mich ein willkommener Anstoß, meine Erfahrungen mit Teilzeitarbeit während meiner Festanstellung zu reflektieren und hier über meine persönliche Motivation zu berichten.
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